Gebärmutterhalskrebs steht weltweit an zweiter Stelle der Krebserkrankungen bei Frauen. Gutartige Vorstufen können bereits im Alter zwischen 20 und 30 auftreten. Während die Zahl der bösartigen Tumore am Gebärmutterhals durch Vorsorgeuntersuchungen gesenkt werden konnte, verzeichnen die Vorstufen eine steigende Tendenz. Die Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum zählt seit 2017 zu den wenigen zertifizierten Dysplasieeinheiten in Deutschland und verfügt über große Expertise in der Diagnose und Behandlung dieser Erkrankung. Davon profitierte auch eine junge Mutter. Sie erkrankte vor ihrer Schwangerschaft mehrfach an einer Vorstufe von Gebärmutterhalskrebs.
„Gebärmutterhalskrebs und andere Tumore im Bereich der weiblichen Genitalregion sind dank der Früherkennung beim Frauenarzt selten geworden“, berichtet Prof. Dr. Clemens Tempfer, Direktor der Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe. Laut der Deutschen Krebsgesellschaft erkranken jährlich etwa 4.000 bis 6.000 Frauen an Gebärmutterhalskrebs. Deutlich höher liegt die Zahl der Neuerkrankungen an den Krebsvorstufen. Diese liegen bei jährlich ca. 400.000 Fällen in Deutschland. Die Entwicklung von der Vorstufe, sogenannten Dysplasien, bis zur bösartigen Krebserkrankung verläuft über mehrere Jahre. Früh genug erkannt, lassen sich Dysplasien behandeln.
Als Dysplasie werden Zellveränderungen am Gebärmutterhals oder im Bereich des äußeren Genitals bezeichnet. Auslöser ist das Humane Papillomavirus (HPV), das unter jungen Frauen weit verbreitet ist und beim Geschlechtsverkehr übertragen wird. Oft kann das Immunsystem das Virus erfolgreich bekämpfen. Gelingt das nicht, können Zellveränderungen entstehen. In etwa der Hälfte der Fälle bilden sich diese Zellveränderungen nach einigen Monaten wieder von alleine zurück. „Eine weitere Abklärung und regelmäßige Beobachtung ist jedoch in jedem Fall wichtig“, so der Herner Spezialist.
Bei vielen Betroffenen führt ein auffälliges Ergebnis beim routinemäßigen Abstrich während der Vorsorge beim Frauenarzt auf die Spur der Zellveränderung. Dann übernehmen die Spezialisten der Klinik für Frauenheilkunde, um die Veränderung abzuklären. So auch bei der Patientin von Prof. Tempfer. Sie erkrankte mehrfach an einer Dysplasie, das erste Mal vor etwa vier Jahren: „Die Diagnose hat mir schlaflose Nächte bereitet und mein ganzes Leben verändert. Die Angst, an Krebs zu erkranken, war ab diesem Zeitpunkt immer da. Und ich habe mir große Sorgen gemacht, ob es noch möglich ist, Kinder zu bekommen.“ Die erste Behandlung der Dysplasie verlief erfolgreich. Nach einem Jahr zeigten sich jedoch erneute Auffälligkeiten bei einem Kontrollabstrich. „Auch nach einer erfolgreichen Erstbehandlung kann eine Dysplasie erneut entstehen“, erläutert Prof. Tempfer. Die Diagnostik und Therapie von Zellveränderungen ist ein Schwerpunkt seiner Klinik, die zu den wenigen zertifizierten Dysplasieeinheiten in Deutschland zählt.
Bei der Behandlung der Dysplasie kommen hauptsächlich zwei Verfahren zum Einsatz. Zunächst erfolgt eine Lupenbetrachtung, eine Differentialkolposkopie, um das Ausmaß und die Beschaffenheit der Zellveränderung zu beurteilen. Die Oberflächenbeschaffenheit der Organe lässt sich mit dem speziellen Instrument bis zu 40-fach vergrößert darstellen. Zeigen sich hier Auffälligkeiten, werden Gewebeproben im Rahmen einer Biopsie entnommen, die dann im Labor untersucht werden. Anhand der Gewebeuntersuchung lässt sich das Potential einstufen, ob sich die Zellveränderung bösartig entwickelt. „Unser Ziel ist es, die Krebsvorstufe so früh wie möglich zu erkennen und gewebeschonend zu entfernen“, erklärt Dr. Ziad Hilal, Koordinator der Dysplasieeinheit.
Bei einer leichten Dysplasie reichen regelmäßige Kontrolluntersuchungen zunächst aus. Liegt eine hochgradige Dysplasie vor, muss der veränderte Bereich der Gebärmutterschleimhaut entfernt werden, so auch bei der jungen Frau. Eine solche Konisation erfolgt im Marien Hospital Herne laparoskopisch durch die Vagina mit Hilfe einer Elektroschlinge. Hierbei sind keine Schnitte notwendig und der Eingriff ist für die Frau wenig belastend. Im Unterschied zu früheren Verfahren kann das betroffene Gewebe so gezielter entfernt werden. „Diese Tatsache spielt bei jungen Frauen, die einen Kinderwunsch haben, eine große Rolle. Bei jeder Konisation wird der Muttermund durch die Gewebeentnahme verkürzt. Je kürzer der Muttermund ist, umso höher ist bei einer zukünftigen Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit für eine Frühgeburt. In diesem Fall war es so, dass bei der Patientin aufgrund der wiederkehrenden Dysplasie zwei Eingriffe notwendig waren“, fasst der Herner Experte zusammen.
Die Patientin brachte trotz der beiden Dysplasie-Operationen Ende letzten Jahres ein gesundes Baby in der Herner Klinik zur Welt. „Die Schwangerschaft war mit viel Zittern verbunden. Aber es ist gut gegangen“, freut sich die junge Mutter. Auch in Zukunft werden bei ihr engmaschige Kontrolluntersuchungen durchgeführt. „Man sollte eine Dysplasie nicht auf die leichte Schulter nehmen und die Möglichkeit der regelmäßigen Vorsorgeuntersuchung nutzen. Nur so können wir den Betroffenen zum richtigen Zeitpunkt die bestmögliche Behandlung anbieten“, resümiert Prof. Tempfer.
Die besondere Expertise der Klinik in der Behandlung von Dysplasien bestätigt seit 2017 die Zertifizierung der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Arbeitsgemeinschaft für Zervixpathologie und Kolposkopie (AGCPC) als eine von rund 20 zertifizierten Dysplasieeinrichtungen deutschlandweit. Diese erhalten nur jene Abteilungen mit sehr erfahrenen Untersuchern, einer modernen apparativen Ausstattung und modernen Behandlungsverfahren.