Marien Hospital Herne - Formen der Harninkontinenz
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Marien Hospital Herne
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Abteilung für Neuro-Urologie

Formen der Harninkontinenz

Sobald Urin ungewollt und unkontrolliert abgeht, spricht man von Harninkontinenz. Harninkontinenz kann bei Menschen jeden Alters und aus verschiedensten Gründen auftreten. Je nach Ursache der Inkontinenzform unterscheidet man unter anderem zwischen Dranginkontinenz, Überlaufinkontinenz und Mischinkontinenz. Auch die Belastungsinkontinenz zählt zu den verschiedenen Inkontinenzformen.

Dranginkontinenz

Bei der Dranginkontinenz kommt es zu unwillkürlichem Harnabgang infolge eines nicht beherrschbaren und ununterdrückbaren Harndranges.

Neurologische Ursachen

Die Harndranginkontinenz tritt oftmals infolge neurologischer Erkrankungen wie Morbus Parkinson, Multiple Sklerose oder Schlaganfällen auf. Verletzungen des zentralen oder peripheren Nervensystems, z. B. infolge von Querschnitten, gehen ebenfalls oftmals mit einer Harndranginkontinenz einher.

Weitere Ursachen

In vielen Fällen können keine neurologischen Ursachen für eine Dranginkontinenz gefunden werden. Der behandelnde Arzt erkennt zwar, dass eine ungewünschte Überaktivität der Blase vorliegt und dass der Patient nicht in der Lage ist, den Blasenentleerungsmuskel (Detrusor) zu steuern, die Ursache für die Dranginkontinenz kann jedoch nicht ermittelt werden. In diesem Fall spricht man von einer idiopathischen überaktiven Blase mit Harndranginkontinenz.

Belastungsharninkontinenz

Bei einer Belastungsharninkontinenz kommt es unter körperlicher Belastung wie Lachen, Husten, Heben schwerer Lasten oder unter sportlicher Aktivität zum ungewünschten Urinverlust. Ursache ist häufig eine Kombination aus Schwächung des Muskels, der die Harnröhre verschließt (Harnröhrensphinkter) und aus Defekten von Muskeln und Bindegewebe im Bereich des Halteapparates des Beckenbodens. Alter, Übergewicht und vorausgegangene Geburten sind bekannte Risikofaktoren für ihr Entstehen. Bei Männern tritt diese Form der Harninkontinenz evtl. nach Entfernung der Prostata infolge eines Prostatakrebses auf.

Neurologische Ursachen

Verletzungen von Beckennerven, die den muskulären Verschluss des Harnröhrensphinkters sowie die muskuläre Spannung des Beckenbodenapparates steuern und regeln können ebenfalls zur Belastungsharninkontinenz führen. Kreuzbeinbrüche nach Unfällen, Verletzungen nervaler Strukturen während operativer Eingriffe im Becken (z.B. Gebärmutterentfernungen oder Enddarm-Operationen) oder schwere Bandscheibenvorfälle sind Beispiele hierfür.

Mischinkontinenz

Als Mischinkontinenz wird die kombinierte Form aus einer Belastungs- und Dranginkontinenz bezeichnet. Die Ursachen einer Mischinkontinenz sind häufig überaus komplex. Die Mischinkontinenz stellt eine große diagnostische und therapeutische Herausforderung für jeden Arzt dar. Bei Betroffenen kommt es zum unwillkürlichen Harnverlust. Dieser tritt im Zusammenhang mit einem starken Harndranggefühl, aber auch ohne spürbaren Harndrang bei körperlicher Anstrengung auf.

Neurologische Ursachen

Zu den Ursachen einer Mischinkontinenz können alle Ursachen einer Dranginkontinenz / überaktiven Blase verantwortlich sein. Oftmals sind Patienten im fortgeschrittenen Lebensalter davon betroffen.

Überlaufinkontinenz

Als Überlaufinkontinenz bezeichnet man den unwillkürlichen, typischerweise tropfenweisen Harnverlust infolge einer fehlenden oder abflussgestörten und somit unzureichenden Blasenentleerung.

Neurologische Ursachen

Die Ursachen für eine Überlaufinkontinenz können zahlreich sein. Die häufigste Ursache ist aber keine neurologische, sondern eine anatomische Verlegung der Harnröhre infolge Vergrößerung der Vorsteherdrüse beim Mann, die s. g. Prostatahyperplasie. Zahlreiche neurologische Ursachen, wie Verletzung des Rückenmarks, Nervenschädigung, z. B. durch Diabetes oder Fehlfunktionen der Nerven wie bei Morbus Parkinson oder Multiple Sklerose können aber ebenfalls zu einer Überlaufinkontinenz infolge unzureichender Blasenentleerung führen.

Diagnose

Die Diagnose von Harninkontinenz umfasst neben der Anamnese, bei der sich der behandelnde Arzt nach der Krankengeschichte des Patienten erkundigt, auch eine Urinuntersuchung. So können unter anderem Eiweiß und Bakterien im Urin sowie ph-Werte ermittelt werden. Eine Sonografie der Blase kann Ursachen für die Harninkontinenz wie zum Beispiel Blasensteine ausschließen.

Liegt der Verdacht einer neurologisch bedingten Harninkontinenz vor, wird eine neuro-urologische Zusatzdiagnostik notwendig. Hierzu zählt beispielsweise eine Blasendruckmessung mit begleitender Durchleuchtung und Ableitung der Muskelaktivitäten (sogenannte Urodynamik). Hierbei wird die Blasen- und Beckenbodenaktivität des Patienten bei gefüllter und ungefüllter Blase gemessen. Zusätzlich ist ein Eiswassertest möglich, um zu ermitteln, ob die Blase unter gekühlter Füllung abweichend reagiert.

Behandlungsverfahren

Die Behandlung der Harninkontinenz erfolgt im Marien Hospital Herne sehr individuell –abhängig von der jeweiligen Störung.

Medikamentöse Behandlungsverfahren

Für fast jede Harninkontinenzform gibt es aktuell eine medikamentöse Therapiemöglichkeit. Dies gilt sowohl für Erkrankungen des Blasenentleerungsmuskels (Detrusor) als auch des Blasenschließmuskels (Sphinkter), sowohl für Blasenüber- als auch -unteraktivität sowie für neurogene und nicht neurogene Blasenfunktionsstörungen.

Botulinumtoxin (Botox®)

Botulinumtoxin ist ein von Bakterien gebildeter Wirkstoff, der zu einer vorübergehenden Erschlaffung der behandelten Muskulatur führt. Seit über 25 Jahren wird diese Substanz in der Medizin – vorzugsweise zur Behandlung spastischer Lähmungen – in allerhöchster Verdünnung eingesetzt. In der Neuro-Urologie findet Botulinumtoxin zur Therapie der überaktiven Harnblase, der Harndranginkontinenz, der vegetativen Dysreflexie sowie der für die Nierenfunktion gefährlichen Hochdruckblase bei Querschnittpatienten Anwendung.

Die Bedeutung und Wirkung der Botulinumtoxinanwendung zur Behandlung von chronischen Schmerzen der Harnblase sind aktuell Gegenstand von Forschungsstudien.

Die Anwendung von Botulinumtoxin in der Blase hat sich als sichere, lang anhaltende, wiederholbare und vor allem höchst wirkungsvolle Therapiemöglichkeit zur Behandlung von Harnblasenfunktionsstörungen etabliert.

Anwendung

Botulinumtoxin wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts angewandt. Der Patient erhält in der Regel eine Narkose (Rückenmarksanästhesie oder kurze Allgemeinanästhesie), unter der das Medikament dann endoskopisch, das heißt über eine Blasenspiegelung, gleichmäßig verteilt in die Blasenwand eingespritzt wird. Im Anschluss wird die Blase zur Kontrolle von Nachblutungen über den Folgetag mit einem Dauerkatheter versorgt. Am zweiten Tag nach der Behandlung kann der Patient bereits wieder entlassen werden.

Wirkung

Die Wirkdauer von Botulinumtoxin liegt je nach Erkrankungsbild typischerweise zwischen 9 und 12 Monaten. Bei Patienten, die unter vegetativer Dysreflexie leiden, hält die Wirkung 3 bis 9 Monate vor. Insbesondere der Harndrang, der Blaseninnendruck und die Dehnbarkeit / Elastizität der Harnblase werden unter Botulinumtoxin-Wirkung deutlich verbessert. Die Patienten profitierten von einer lang andauernden höheren Blasenkapazität und somit Verringerung der Harninkontinenz. Die Wirkung von Botulinumtoxin klingt nach oben genannten Zeiträumen voll ab und hinterlässt keine negativen Spätfolgen. Nebenwirkungen sind extrem selten und sind typischerweise ein überschießender Kraftverlust des Harnblasen-Entleerungsmuskels mit Harnstrahlabschwächung und Zunahme des Restharns, wenn zuvor die selbstständige Blasenentleerung noch möglich war.

Neuromodulation – Blasenschrittmacher

Als Neuromodulation bezeichnet man eine Beeinflussung fehlfunktionierender Nerven. Nach heutiger Kenntnis ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Neuromodulation die noch intakte Nervenverbindung zwischen Harnblase und Gehirn. Daher ist die im Folgenden geschilderte Technik bei Patienten mit einer kompletten Nervdurchtrennung, zum Beispiel des Rückenmarks (Querschnittlähmung), bisher nicht anwendbar.

Das Prinzip der Neuromodulation von Nerven (z. B. des Sakralplexus, der Nerven, die auf Höhe des Kreuzbeines aus dem Rückenmark in die Beckenregion austreten) ist es, durch gezielte, permanente Impulse die nervale Kommunikation zwischen Harnblase und Gehirn zu beeinflussen. Dabei kann sowohl das Krankheitsbild einer schlaffen Harnblase ebenso beeinflusst als auch eine überaktive Blase gedämpft werden.

In einem ersten Schritt, der sogenannten Testphase, wird an die unmittelbar in Deckung des Kreuzbein laufenden Sakralnerven mittels einer feinen Hohlnadel durch die Haut ein dünner Testdraht gelegt. In einer intraoperativen Teststimulation kann sichergestellt werden, dass der Draht exakt am Nerv positioniert wurde. Unmittelbar nach der Platzierung der Testdrähte kann mit einem sogenannten Impulsgeber, der der eigentliche Stromlieferant für die Neuromodulation ist, eine bis zu 2-wöchige Testphase, die auch in der häuslichen Umgebung erfolgt, eingeleitet werden.

In den letzten Jahren hat sich eine neue Technik etabliert, bei der eine etwas dickere Vierkanalelektrode an den Nerv gelegt wird. Diese hat den Vorteil, dass sie länger im Körper verbleiben kann und die Testphase auf bis zu 4 Wochen ausgedehnt werden kann. Zudem kann bei erfolgreicher Testung die Elektrode dauerhaft an Ort und Stelle belassen werden, während bei der Testung mit dem dünnen Testdraht dieser zunächst wieder gezogen wird.

In einem zweiten Schritt wird dann der endgültige Impulsgeber unter die Gesäßhaut eingesetzt, von wo aus er die Steuerung und Energieversorgung des Modulationsdrahtes übernimmt. Die integrierte Batterie hat eine Lebensdauer von bis zu 7 Jahren.

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