Marien Hospital Herne - Querschnittsyndrom / Rückenmarkverletzung
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Abteilung für Neuro-Urologie

Querschnittsyndrom / Rückenmarkverletzung

Ein Querschnittsyndrom ist ein komplexes, aus einer kompletten oder inkompletten Schädigung des Rückenmarks resultierendes Lähmungsbild mit Ausfall motorischer, sensibler und vegetativer Funktionen unterhalb der Verletzungshöhe des Rückenmarks.

Die Beratung des Patienten beinhaltet in erster Linie die Aufklärung über die Erkrankung, deren Verlauf und die Beeinflussbarkeit durch konservative, operative und rehabilitative Maßnahmen. Jede dieser Beratungen muss individuell gestaltet und stufenweise durchgeführt werden. Sie umfasst auch die Aufklärung über allgemeine und lähmungsbedingte Komplikationen.

Frühzeitig sollten die Familie, andere Bezugspersonen und das berufliche Umfeld in die Beratung einbezogen werden, da die Querschnittlähmung auch für das Umfeld der Patienten ein einschneidendes Ereignis ist.

Querschnittsyndrom / Rückenmarkverletzung – Autonome Dysreflexie

Die autonome Dysreflexie tritt ausschließlich bei Patienten mit einer Rückenmarkverletzung auf Höhe der 6. / 7. Brustsegmente (Th6/7) und darüber auf.

Symptome

Die typischen Symptome bestehen in Bluthochdruck, Abfall der Herzschlagfrequenz, Kopfschmerzen, kaltschweißige Haut oberhalb der Läsionshöhe sowie Eintritt einer Gänsehaut. Ursächlich ist die unbemerkte Dehnung eines Hohlorgans, meist durch eine übervolle Harnblase. Auch andere Organe wie die Gallenblase, der Magen oder Darmanteile, können infolge Überdehnung zu einer autonomen Dysreflexie führen.

Behandlungsverfahren

Die Therapie besteht primär in der Beseitigung der Ursache. Für die neuro-urologische Versorgung bedeutet dies erhöhte Blaseninnendrücke dauerhaft zu senken, um eine autonome Dysreflexie zu vermeiden.

Querschnittsyndrom / Rückenmarkverletzung – Behandlungsverfahren

Medikamentöse Behandlungsverfahren

Offenbaren Blasendruckmessungen (sogenannte Urodynamik), dass während der Blasenfüllung zu hohe Speicherdrücke in der Blase vorliegen, können diese durch Medikamente (Anticholinergika) gesenkt werden. Anticholinergika werden entweder in Tablettenform, als Pflaster oder in flüssiger Form (Blasen-Instillation) angewandt.

Botulinumtoxin (Botox®)

Botulinumtoxin ist ein von Bakterien gebildeter Wirkstoff, der zu einer vorübergehenden Erschlaffung der behandelten Muskulatur führt. Seit über 25 Jahren wird diese Substanz in der Medizin – vorzugsweise zur Behandlung spastischer Lähmungen – in allerhöchster Verdünnung eingesetzt. In der Neuro-Urologie findet Botulinumtoxin zur Therapie der überaktiven Harnblase, der Harndranginkontinenz, der vegetativen Dysreflexie sowie der für die Nierenfunktion gefährlichen Hochdruckblase bei Querschnittpatienten Anwendung.

Die Bedeutung und Wirkung der Botulinumtoxinanwendung zur Behandlung von chronischen Schmerzen der Harnblase sind aktuell Gegenstand von Forschungsstudien.

Die Anwendung von Botulinumtoxin in der Blase hat sich als sichere, lang anhaltende, wiederholbare und vor allem höchst wirkungsvolle Therapiemöglichkeit zur Behandlung von Harnblasenfunktionsstörungen etabliert.

Anwendung

Botulinumtoxin wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts angewandt. Der Patient erhält in der Regel eine Narkose (Rückenmarksanästhesie oder kurze Allgemeinanästhesie), unter der das Medikament dann endoskopisch, das heißt über eine Blasenspiegelung, gleichmäßig verteilt in die Blasenwand eingespritzt wird. Im Anschluss wird die Blase zur Kontrolle von Nachblutungen über den Folgetag mit einem Dauerkatheter versorgt. Am zweiten Tag nach der Behandlung kann der Patient bereits wieder entlassen werden.

Wirkung

Die Wirkdauer von Botulinumtoxin liegt je nach Erkrankungsbild typischerweise zwischen 9 und 12 Monaten. Bei Patienten, die unter vegetativer Dysreflexie leiden, hält die Wirkung 3 bis 9 Monate vor. Insbesondere der Harndrang, der Blaseninnendruck und die Dehnbarkeit / Elastizität der Harnblase werden unter Botulinumtoxin-Wirkung deutlich verbessert. Die Patienten profitierten von einer lang andauernden höheren Blasenkapazität und somit Verringerung der Harninkontinenz. Die Wirkung von Botulinumtoxin klingt nach oben genannten Zeiträumen voll ab und hinterlässt keine negativen Spätfolgen. Nebenwirkungen sind extrem selten und sind typischerweise ein überschießender Kraftverlust des Harnblasen-Entleerungsmuskels mit Harnstrahlabschwächung und Zunahme des Restharns, wenn zuvor die selbstständige Blasenentleerung noch möglich war.

Katheterismus

Während der Akutphase unmittelbar nach Auftritt der Rückenmarkverletzung erfolgt die Harnableitung über einen Bauchdecken-Katheter. Im Rahmen der Notfallversorgung angelegte Harnröhren-Dauerkatheter sollten innerhalb von 48 Stunden entfernt werden. Wenn kein Wasserlassen (Spontanmiktion) möglich ist, sollte schnellstmöglich auf eine Entleerung der Blase mittels eines Fremdkatheterismus umgestellt, beziehungsweise der Selbstkatheterismus erlernt werden.

Hierbei erfolgt die Blasenentleerung drucklos und restharnfrei. Der Katheterismus muss aseptisch erfolgen. Das bedeutet, dass nur sterile Utensilien verwendet werden.

Idealerweise wird der Katheterismus mit Unterbrechung (intermittierend) vier- bis fünfmal täglich durchgeführt. Die Urinmenge pro Katheterisierung sollte 500 ml nicht überschreiten, um eine chronische Überdehnung der Blase zu vermeiden.

Schließmuskelkerbung (Sphinkterotomie)

Bei eintretender Reflexaktivität kann das reflexartige Entleeren der Blase durch Klopfen in ein Kondomurinal erwogen werden. Bei Männern wird hierfür gegebenenfalls der äußerer Blasenschließmuskel operativ eingekerbt (Sphinkterotomie), um den reflektorischen Urinaustritt aus der Blase zu erleichtern.

Blasen-Darm-Stimulator

In ausgewählten Fällen kann die Implantation eines Blasen-Darm-Stimulators (Brindley-Schrittmacher) die Blasenfunktion weitgehend normalisieren. Der Brindley-Schrittmacher stellt eine Therapiemöglichkeit dar, wenn die Dehnfähigkeit der Harnblase noch erhalten ist, aber durch andere Maßnahmen keine ausreichende Dämpfung der Blasendrücke erreicht werden kann. Mittels Durchtrennung eines Teils der blasenversorgenden Nerven (Deafferentation) wird die Fehlsteuerung der Blase vollständig unterbunden. Dadurch kann sich die Blase wieder elastisch dehnen. Durch die gleichzeitige Implantation eines Stimulators kann die Blase mit einem Steuerungsgerät entleert werden. Durch das Entstehen eines Niederdrucksystems wird die Nierenfunktion geschützt. Außerdem wird die Lebensqualität durch die steuerbare Blasen- und Darmentleerung verbessert. Nachteilig ist, dass die Behandlung eine Eröffnung des Rückenmarks mit Nervendurchtrennung notwendig macht. Daher kann dieses Verfahren nur bei komplett Querschnittgelähmten angewendet werden; zudem ist die Durchtrennung nicht wieder rückgängig zu machen.

Operative Behandlungsverfahren

Infolge der zahlreichen neuro-urologischen Therapieoptionen für die Querschnitt-geschädigte Blase sind offen operative Verfahren, wie z.B. die Anlage einer Darmersatzblase oder eine Blasenvergrößerung mittels Darmanteilen, nur noch selten notwendig.

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