Marien Hospital Herne - Chronisches Blasenschmerzsyndrom
Zu den Inhalten springen
Marien Hospital Herne
St. Elisabeth Gruppe
HomeHome
Abteilung für Neuro-Urologie

Chronisches Blasenschmerzsyndrom

Beim chronischen Blasenschmerzsyndrom, auch Interstitielle Cystitis (IC) genannt, handelt es sich um eine chronische Harnblasenerkrankung. Diese ist durch ausgeprägte Schmerzen im Bereich der Harnblase und der Beckenregion, nicht zu unterdrückendem Harndrang sowie ein deutlich erniedrigtes Harnblasenvolumen charakterisiert. Auf den ersten Blick stellt sich die IC wie eine zunächst akute, später chronisch wiederkehrende Harnblasenentzündung dar, deren Verlauf und Therapie durch das Fehlen von Bakterien im Urin scheinbar kompliziert wird.

Nahrungsmittel, z.B. Kaffee oder Produkte aus Zitrusfrüchten, können die IC-typischen Beschwerden verstärken. Ebenso berichten viele Patienten über schwankende Symptome, wobei körperlicher und / oder psychischer Stress regelmäßig zur Symptomverstärkung führen. Auffällig ist weiterhin, dass IC-Patienten oftmals an verschiedenen Allergien leiden sowie begleitend eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung oder ein chronischer Muskelschmerz (Fibromyalgie) vorliegt.

Chronisches Blasenschmerzsyndrom – Ursache

Nach wie vor ist nicht klar, wie genau die Interstitielle Cystitis entsteht. Zu den möglichen Ursachen zählen eine Veränderung der Durchlässigkeit der Blasenschleimhaut infolge einer gestörten Schleimdeckschicht der Blase, im Urin enthaltene zellschädigende Substanzen sowie versteckte Infektionen.

Chronisches Blasenschmerzsyndrom – Behandlungsverfahren

Die Behandlungsmöglichkeiten chronischer Blasenschmerzen sind vielfältig. Oftmals bekommen Patienten eine kombinierte Therapie.

Eine standardisierte, allgemein anerkannte Therapiestrategie existiert zurzeit nicht. Vielmehr muss das patientenspezifische Krankheitsbild vor dem Hintergrund der sozialen Umstände des Patienten sowie unter Berücksichtigung von Vortherapien in ein individuelles Therapiekonzept einfließen.

Oral-Systemische Behandlungsverfahren

In der Abteilung für Neuro-Urologie ist die medikamentöse Behandlung mit oral eingenommenen Arzneimitteln von chronischen Blasenschmerzen eine bewährte Therapieoption. Die orale Therapie kann unter anderem mit Schmerzmitteln (Analgetika) und Antidepressiva, die auf die Blase einwirken, erfolgen. Antidepressiva wie beispielsweise Amitriptylin können Schmerzen als auch den ausgeprägt starken Drang, Wasser zu lassen, lindern.

Intravesikale Behandlungsverfahren

Eine weitere Möglichkeit der medikamentösen Therapie sind Arzneimittel, die direkt in die Blase (intravesikal) eingebracht werden. Dort bleiben sie bis zum nächsten Wasserlassen. Zu den Wirkstoffen zählen beispielsweise Chondroitinsulfat, Hyaluronsäure oder Heparin. Diese tragen zur Sanierung der schützenden Schleimhautschicht der Blase bei.

Konservative Behandlungsverfahren

Oft kommt es nicht zu einer vollständigen Linderung der Symptome. Wegen des begrenzten Effektes der konventionellen Therapiemethoden fragen Patienten häufig nach alternativen Heilverfahren bevor sie sich zu einer operativen Maßnahme entscheiden. Recht gute Resultate konnten mit Akupunktur in der Therapie symptom-ähnlicher Erkrankungen wie überaktive Blase und chronisch abakterielle Prostatitis erzielt werden. Verschiedene Entspannungstechniken, Verhaltensstrategien (z.B. Blasentraining) sowie die Elektrostimulation und Neuromodulation werden als alternative Behandlungsmethoden angeboten. Auch diätetische Anpassungen der Ernährung (Interstitielle Zystitis-Diät) und der Einsatz von Nutraceuticals (z.B. L-Arginin, Quercetin, Aloe vera, chinesische Kräuter) können hilfreich sein.

Minimal-invasive Behandlungsverfahren

Sollte es nach Ausreizung der konservativen Behandlungsmethoden zu einer Verschlechterung der Beschwerden kommen, kann eine Operation notwendig werden.

Hydrodistension

Hydrodistension bedeutet wörtlich „Dehnung mit Wasser“. Die Hydrodistension der Harnblase ist ein Verfahren, das sowohl diagnostisch als auch therapeutisch seit vielen Jahren einen festen Stellenwert in der Behandlung des chronischen Blasenschmerzsyndroms als auch bei chronischen bakteriellen Blasenentzündungen hat. Es wird davon ausgegangen, dass infolge der Blasendehnung unter anderem eine Erschöpfung der Blasennerven auftritt, die eine Dranglinderung zur Folge hat.

In einer kurzen Narkose wird die Harnblase über das Blasenspiegelungsinstrument mit steriler Kochsalzlösung für 2-3 (in seltenen Fällen auch 5-10 und mehr) Minuten aufgefüllt, gedehnt und das anatomische Fassungsvermögen der Blase bestimmt. Es kann sich je nach Erkrankungsbild und dem intraoperativem Befund eine oberflächliche Verschorfung (sogenannte Fulguration) der Blasenwand anschließen. Diese tötet der Blase anhaftende Bakterien und führt zu einer kompletten Regeneration der verschorften Wandanteile ohne Narbenbildung zu hinterlassen. Ein Vorgang wie man ihn von einer Schorfwunde zum Beispiel am Knie nach einem Sturz kennt. Die Blasenwand erhält somit einen Reiz sich zu regenerieren, was oftmals zu Reduktion von Schmerz, Drang und / oder Bakterienbefall führt.

Botulinumtoxin (Botox®)

Botulinumtoxin ist ein von Bakterien gebildeter Wirkstoff, der zu einer vorübergehenden Erschlaffung der behandelten Muskulatur führt. Seit über 25 Jahren wird diese Substanz in der Medizin – vorzugsweise zur Behandlung spastischer Lähmungen – in allerhöchster Verdünnung eingesetzt. In der Neuro-Urologie findet Botulinumtoxin zur Therapie der überaktiven Harnblase, der Harndranginkontinenz, der vegetativen Dysreflexie sowie der für die Nierenfunktion gefährlichen Hochdruckblase bei Querschnittpatienten Anwendung.

Die Bedeutung und Wirkung der Botulinumtoxinanwendung zur Behandlung von chronischen Schmerzen der Harnblase sind aktuell Gegenstand von Forschungsstudien.

Die Anwendung von Botulinumtoxin in der Blase hat sich als sichere, lang anhaltende, wiederholbare und vor allem höchst wirkungsvolle Therapiemöglichkeit zur Behandlung von Harnblasenfunktionsstörungen etabliert.

Anwendung
Botulinumtoxin wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts angewandt. Der Patient erhält in der Regel eine Narkose (Rückenmarksanästhesie oder kurze Allgemeinanästhesie), unter der das Medikament dann endoskopisch, das heißt über eine Blasenspiegelung, gleichmäßig verteilt in die Blasenwand eingespritzt wird. Im Anschluss wird die Blase zur Kontrolle von Nachblutungen über den Folgetag mit einem Dauerkatheter versorgt. Am zweiten Tag nach der Behandlung kann der Patient bereits wieder entlassen werden.

Wirkung
Die Wirkdauer von Botulinumtoxin liegt je nach Erkrankungsbild typischerweise zwischen 9 und 12 Monaten. Bei Patienten, die unter vegetativer Dysreflexie leiden, hält die Wirkung 3 bis 9 Monate vor. Insbesondere der Harndrang, der Blaseninnendruck und die Dehnbarkeit / Elastizität der Harnblase werden unter Botulinumtoxin-Wirkung deutlich verbessert. Die Patienten profitierten von einer lang andauernden höheren Blasenkapazität und somit Verringerung der Harninkontinenz. Die Wirkung von Botulinumtoxin klingt nach oben genannten Zeiträumen voll ab und hinterlässt keine negativen Spätfolgen. Nebenwirkungen sind extrem selten und sind typischerweise ein überschießender Kraftverlust des Harnblasen-Entleerungsmuskels mit Harnstrahlabschwächung und Zunahme des Restharns, wenn zuvor die selbstständige Blasenentleerung noch möglich war.

Neuromodulation – Blasenschrittmacher

Als Neuromodulation bezeichnet man eine Beeinflussung fehlfunktionierender Nerven. Nach heutiger Kenntnis ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Neuromodulation die noch intakte Nervenverbindung zwischen Harnblase und Gehirn. Daher ist die im Folgenden geschilderte Technik bei Patienten mit einer kompletten Nervdurchtrennung, zum Beispiel des Rückenmarks (Querschnittlähmung), bisher nicht anwendbar.

Das Prinzip der Neuromodulation von Nerven (z. B. des Sakralplexus, der Nerven, die auf Höhe des Kreuzbeines aus dem Rückenmark in die Beckenregion austreten) ist es, durch gezielte, permanente Impulse die nervale Kommunikation zwischen Harnblase und Gehirn zu beeinflussen. Dabei kann sowohl das Krankheitsbild einer schlaffen Harnblase ebenso beeinflusst als auch eine überaktive Blase gedämpft werden.

In einem ersten Schritt, der sogenannten Testphase, wird an die unmittelbar in Deckung des Kreuzbein laufenden Sakralnerven mittels einer feinen Hohlnadel durch die Haut ein dünner Testdraht gelegt. In einer intraoperativen Teststimulation kann sichergestellt werden, dass der Draht exakt am Nerv positioniert wurde. Unmittelbar nach der Platzierung der Testdrähte kann mit einem sogenannten Impulsgeber, der der eigentliche Stromlieferant für die Neuromodulation ist, eine bis zu 2-wöchige Testphase, die auch in der häuslichen Umgebung erfolgt, eingeleitet werden.

In den letzten Jahren hat sich eine neue Technik etabliert, bei der eine etwas dickere Vierkanalelektrode an den Nerv gelegt wird. Diese hat den Vorteil, dass sie länger im Körper verbleiben kann und die Testphase auf bis zu 4 Wochen ausgedehnt werden kann. Zudem kann bei erfolgreicher Testung die Elektrode dauerhaft an Ort und Stelle belassen werden, während bei der Testung mit dem dünnen Testdraht dieser zunächst wieder gezogen wird.

In einem zweiten Schritt wird dann der endgültige Impulsgeber unter die Gesäßhaut eingesetzt, von wo aus er die Steuerung und Energieversorgung des Modulationsdrahtes übernimmt. Die integrierte Batterie hat eine Lebensdauer von bis zu 7 Jahren.

Offene operative Behandlungsverfahren

Harnableitung

Hierzu zählt unter anderem eine Harnableitung, welche die Funktion der eigenen Blase ersetzen soll. Eine sehr robuste und komplikationsarme Form der Harnableitung stellt der Anschluss eines Urinreservoirs aus Darm über die rechte Bauchwand dar (Ileumconduit). Dieser gewährleistet einen kontinuierlicher Urinablauf in einen auf die Bauchdecke geklebten Urinauffangbeutel. Die Schaffung einer künstlichen Ersatzblase aus Darm (Ileumneoblase) ermöglicht die Ableitung des Urins über die Harnröhre.

© Marien Hospital Herne | Impressum | . Datenschutz | . Datenschutz­einstellungen anpassen.