Marien Hospital Herne - Reizblase / Überaktive Blase
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Abteilung für Neuro-Urologie

Reizblase / Überaktive Blase

Weltweit leiden Schätzungen zufolge über 50 Millionen Menschen unter den Symptomen der überaktiven Blase (engl. Overactive Bladder, OAB). Dabei beträgt der Anteil an überaktiver Blase erkrankten Menschen in der Allgemeinbevölkerung ab 40 Jahren zwischen 12 und 22 Prozent. Da die Häufigkeit der überaktiven Blase mit steigendem Lebensalter zunimmt, liegt sie bei Menschen ab 75 Jahre bereits bei 31 bis 42 Prozent.

Reizblase / Überaktive Blase – Symptome

Zum Syndrom der überaktiven Blase gehören kaum zu unterdrückender Harndrang mit oder ohne Inkontinenz, häufiges Wasserlassen und die Notwendigkeit, auch Nachts infolge des Harndranges die Toilette aufsuchen zu müssen.

Im Fall einer Harninkontinenz, die aus einer überaktiven Blase resultiert, spricht man von einer „nassen überaktiven Blase“ (OAB wet) im Gegensatz zur „trockenen überaktiven Blase“ (OAB dry), bei der die Kontinenz erhalten bleibt. Das Vorliegen einer Inkontinenz ist jedoch keine notwendige Voraussetzung für die Diagnose einer überaktiven Blase: So leiden etwa zwei Drittel aller Patienten mit überaktiver Blase nicht an Inkontinenz.

Besonders auf das körperliche, soziale und emotionale Wohlbefinden der Patienten haben die mit der überaktiven Blase assoziierten Symptome tief greifende Auswirkungen, wodurch die Lebensqualität erheblich beeinträchtigt wird.

Reizblase / Überaktive Blase – Behandlungsverfahren

Ziel der Therapie der überaktiven Blase ist eine Verbesserung der Symptome, die den Patienten sowohl physisch als auch psychisch extrem belasten. Dabei muss die Blasenüberaktivität behoben werden, ohne andere Organsysteme in ihrer Funktion zu beeinflussen oder die normale Blasenentleerung zu beeinträchtigen. Zu Beginn der Therapie stehen zumeist konservative Behandlungsansätze wie z .B. Elektrostimulationsverfahren im Vordergrund.

Medikamentöse Behandlungsverfahren

Die Kombination aus Verhaltenstherapie / Blasentraining und medikamentöser Therapie sind die Säulen bei der Behandlung der überaktiven Blase (OAB). Die medikamentöse Therapie der überaktiven Blase besteht heutzutage aus der Behandlung mit Anticholinergika, die auch Antimuskarinika genannt werden. Bei den Anticholinergika handelt es sich um Medikamente, die die ungewünschten, häufigen Muskelaktivitäten der Blasenwand unterdrücken können.

Neuere Untersuchungen haben gezeigt, dass sie ebenfalls eine deutliche Wirkung auf die Blasensensorik ausüben können und hierdurch ebenfalls einen blasendämpfenden Effekt auslösen können. In den letzten Jahren sind zahlreiche neue Anticholinergika entwickelt worden, die eine vergleichbare Wirkung haben wie Vorgängerpräparate, deren Nebenwirkungen aber geringgradiger aufweisen.  Häufige Nebenwirkungen sind Mundtrockenheit, Verstopfungsneigung, Müdigkeit, Schwindel und insbesondere bei älteren Patienten eine ansteigende Hirnleistungsstörung.

Das Prinzip der neueren Anticholinergika ist hierbei eine blasenspezifischere Therapie (zum Beispiel durch Medikamentenpflaster oder Präparate mit einer verzögerten Medikamentenfreigabe). Ebenso besteht die Möglichkeit, durch das Einfüllen von Medikamenten in die Blase (Instillationstherapie) diese zu beeinflussen und allgemeine Nebenwirkung zu reduzieren.

Botulinumtoxin (Botox®)

Botulinumtoxin ist ein von Bakterien gebildeter Wirkstoff, der zu einer vorübergehenden Erschlaffung der behandelten Muskulatur führt. Seit über 25 Jahren wird diese Substanz in der Medizin – vorzugsweise zur Behandlung spastischer Lähmungen – in allerhöchster Verdünnung eingesetzt. In der Neuro-Urologie findet Botulinumtoxin zur Therapie der überaktiven Harnblase, der Harndranginkontinenz, der vegetativen Dysreflexie sowie der für die Nierenfunktion gefährlichen Hochdruckblase bei Querschnittpatienten Anwendung.

Die Bedeutung und Wirkung der Botulinumtoxinanwendung zur Behandlung von chronischen Schmerzen der Harnblase sind aktuell Gegenstand von Forschungsstudien.

Die Anwendung von Botulinumtoxin in der Blase hat sich als sichere, lang anhaltende, wiederholbare und vor allem höchst wirkungsvolle Therapiemöglichkeit zur Behandlung von Harnblasenfunktionsstörungen etabliert.

Anwendung

Botulinumtoxin wird im Rahmen eines kurzen stationären Aufenthalts angewandt. Der Patient erhält in der Regel eine Narkose (Rückenmarksanästhesie oder kurze Allgemeinanästhesie), unter der das Medikament dann endoskopisch, das heißt über eine Blasenspiegelung, gleichmäßig verteilt in die Blasenwand eingespritzt wird. Im Anschluss wird die Blase zur Kontrolle von Nachblutungen über den Folgetag mit einem Dauerkatheter versorgt. Am zweiten Tag nach der Behandlung kann der Patient bereits wieder entlassen werden.

Wirkung

Die Wirkdauer von Botulinumtoxin liegt je nach Erkrankungsbild typischerweise zwischen 9 und 12 Monaten. Bei Patienten, die unter vegetativer Dysreflexie leiden, hält die Wirkung 3 bis 9 Monate vor. Insbesondere der Harndrang, der Blaseninnendruck und die Dehnbarkeit / Elastizität der Harnblase werden unter Botulinumtoxin-Wirkung deutlich verbessert. Die Patienten profitierten von einer lang andauernden höheren Blasenkapazität und somit Verringerung der Harninkontinenz. Die Wirkung von Botulinumtoxin klingt nach oben genannten Zeiträumen voll ab und hinterlässt keine negativen Spätfolgen. Nebenwirkungen sind extrem selten und sind typischerweise ein überschießender Kraftverlust des Harnblasen-Entleerungsmuskels mit Harnstrahlabschwächung und Zunahme des Restharns, wenn zuvor die selbstständige Blasenentleerung noch möglich war.

Neuromodulation – Blasenschrittmacher

Als Neuromodulation bezeichnet man eine Beeinflussung fehlfunktionierender Nerven. Nach heutiger Kenntnis ist die Voraussetzung für eine erfolgreiche Neuromodulation die noch intakte Nervenverbindung zwischen Harnblase und Gehirn. Daher ist die im Folgenden geschilderte Technik bei Patienten mit einer kompletten Nervdurchtrennung, zum Beispiel des Rückenmarks (Querschnittlähmung), bisher nicht anwendbar.

Das Prinzip der Neuromodulation von Nerven (z. B. des Sakralplexus, der Nerven, die auf Höhe des Kreuzbeines aus dem Rückenmark in die Beckenregion austreten) ist es, durch gezielte, permanente Impulse die nervale Kommunikation zwischen Harnblase und Gehirn zu beeinflussen. Dabei kann sowohl das Krankheitsbild einer schlaffen Harnblase ebenso beeinflusst als auch eine überaktive Blase gedämpft werden.

In einem ersten Schritt, der sogenannten Testphase, wird an die unmittelbar in Deckung des Kreuzbein laufenden Sakralnerven mittels einer feinen Hohlnadel durch die Haut ein dünner Testdraht gelegt. In einer intraoperativen Teststimulation kann sichergestellt werden, dass der Draht exakt am Nerv positioniert wurde. Unmittelbar nach der Platzierung der Testdrähte kann mit einem sogenannten Impulsgeber, der der eigentliche Stromlieferant für die Neuromodulation ist, eine bis zu 2-wöchige Testphase, die auch in der häuslichen Umgebung erfolgt, eingeleitet werden.

In den letzten Jahren hat sich eine neue Technik etabliert, bei der eine etwas dickere Vierkanalelektrode an den Nerv gelegt wird. Diese hat den Vorteil, dass sie länger im Körper verbleiben kann und die Testphase auf bis zu 4 Wochen ausgedehnt werden kann. Zudem kann bei erfolgreicher Testung die Elektrode dauerhaft an Ort und Stelle belassen werden, während bei der Testung mit dem dünnen Testdraht dieser zunächst wieder gezogen wird.

In einem zweiten Schritt wird dann der endgültige Impulsgeber unter die Gesäßhaut eingesetzt, von wo aus er die Steuerung und Energieversorgung des Modulationsdrahtes übernimmt. Die integrierte Batterie hat eine Lebensdauer von bis zu 7 Jahren.

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