Neben Herzinfarkten stellen Schlaganfälle die Haupttodesursache in Industrieländern dar. Der Blutdruck in der Hauptschlagader, der sogenannte zentrale Blutdruck, bestimmt maßgeblich das Risiko, einen Schlaganfall zu erleiden. Doch wie gefährdet sind Personen, die sich für längere Zeit im Weltall aufhalten? Diese Frage stellte sich auch Dr. Felix Seibert, Oberarzt der Medizinischen Klinik I am Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum. Er ist Leiter eines weltweit einzigartigen Forschungsprojektes, bei dem der zentrale Blutdruck von zwölf Testpersonen unter Weltraumbedingungen gemessen wurde. Hierfür begaben sie sich wiederholt in einen 20-sekündigen Zustand der Schwerelosigkeit.
„Zahlreiche Studien belegen, dass Bluthochdruck ein zentraler Risikofaktor für Schlaganfälle ist. Bei unserem Forschungsexperiment stand jedoch nicht der am Arm gemessene periphere Blutdruck, sondern der sogenannte zentrale Bluthochdruck – der Blutdruck in der Hauptschlagader – im Fokus“, erklärt Dr. Felix Seibert. Neuere Studien haben bestätigt, dass dieser für die Entstehung von Schlaganfällen relevanter ist als der periphere Blutdruck.
Der zentrale Blutdruck kann mithilfe eines speziellen Blutdruckgerätes gemessen werden, das die Pulswelle des Patienten analysiert. „Wir wissen bisher noch zu wenig darüber, wie der zentrale Blutdruck reguliert wird“, so Dr. Seibert. „Unsere Experimente sollen erste Einblicke in den Einfluss der Schwerkraft auf den zentralen Bluthochdruck gewähren.“
„Der Bluthochdruck stellt einen Behandlungs- und einen wissenschaftlichen Schwerpunkt unserer Klinik dar. Wir sind sehr stolz, dass die Medizinische Klinik I des Marien Hospital Herne an so einem innovativen Projekt beteiligt ist“, freut sich Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne.
Die Studie erstreckte sich über einen Zeitraum von einer Woche mit vier Flugtagen. Hierfür begaben sich zwölf Testpersonen zwischen 19 und 35 Jahren am Flughafen Bordeaux-Mérignac in Frankreich in einen Airbus A310 ZERO-G. Während des Tests stieg das Flugzeug aus dem horizontalen Flug steil nach oben, drosselte die Schubkraft der Turbinen und flog einen steilen Sinkflug (Parabel), bei der für etwa 20 Sekunden Schwerelosigkeit herrschte. Jeder Proband flog insgesamt 31 solcher sogenannten Parabeln. „Natürlich mussten sich alle Probanden vor Beginn einer medizinischen Prüfung unterziehen. Nur wer völlig gesund ist, durfte an dem Experiment teilnehmen“, erläutert Dr. Seibert. Gefördert wird die Studie durch das Programm „Forschung unter Weltraumbedingungen“ des DLR Raumfahrtmanagement.
Während der Sekunden in Schwerelosigkeit wurde bei den Testpersonen mittels des speziellen Blutdruckgerätes die Dynamik des zentralen Blutdrucks gemessen und mit den Werten des peripheren Blutdrucks verglichen. „Jetzt müssen die Ergebnisse zunächst ausgewertet werden. Da sich das Blutvolumen im Zustand der Schwerelosigkeit und unter Einfluss vieler weiterer physikalischer und biochemischer Faktoren auf den menschlichen Körper umverteilt, erwarten wir eine deutliche Veränderung des zentralen Blutdrucks“, kündigt Dr. Seibert an. Im Februar wird der Oberarzt den Versuch erneut mit einer Gruppe Probanden durchführen. Erst danach erfolgt die wissenschaftliche Auswertung.
Wie wirkt sich die Schwerelosigkeit auf den peripheren und zentralen Blutdruck bei längeren Aufenthalten im All aus? Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist an dieser Frage sehr interessiert und unterstützt daher das Projekt der Universitätsklinik.